Gegensätze und Unbekanntes.
Die Autorin Isabelle Girard de Soucanton schreibt in ihrem Artikel in der Rheinpfalz/Pfälzische Volkszeitung zur Ausstellung (siehe oben):
„(….) Den ersten Eindruck beim Betreten der Galerie bestimmen Bildformate voller Reihungen. Horizontale, vertikale, diagonale. Schwarzweiß, zwei-dreifarbig, pastellenleise, leichtend-satt und auch schon mal irgendwie bunt. Trotz zunächst vage feststellbarer Unterschiede – ein Prinzip geordneter Konsequenz, basierend auf geometrischen Formen und Zeichen: Kreise, Vier- und Dreiecke, spitzwinklige Zacken hier, verlorene Teile dort, vertraut neben verdreht, vertieft neben verflacht, je nach Schattenriss ohne Herkunft. Das Spiel eines optischen Täuschungsmanövers oder Irritation als Prinzip zur Information, Realisation oder Reflektion?
Tatsächlich mildert die serielle Anzahl dieses Phänomen und lässt eine Lesart erkennen, die auf fast spektakuläre Art in das erwähnte Prinzip Ordnung auch schon mal dasjenige des Chaos`integriert. Norbert Herrmann legt Spuren dreidimensional wirkender Aufbrüche, Verzerrungen. Wie aus unterirdischen Tiefen hoch gedrückte Wölbungen stören die Gleichförmigkeit linearer Geo- und Symmetrien. Oder werden überlagert, getrennt und unterwandert von scheinbar externen Flächen. Spannend zu sehen, wie Malpinsel, Zeichenstift oder druckgrafische Techniken wie Schneiden, Ritzen, Fotografieren oder neuerdings digital auf Holz, Linol und Papier dreidimensionale Vorstellungen erzeugen.
Doch für Herrmann geht es weniger um handwerkliches Können, vielmehr um Ambivalenzen, Pluralismen, Kommunikationsformen sowie bedingt auch Assoziationen. Beispielsweise ins Wesenhafte, in menschliches Verhalten und Denken, wohl auch in emotionale Befindlichkeiten inklusive aller ihnen anhaftender Zerbrechlichkeit. Inwieweit der Künstler derlei gezielt in seiner Malerei und Grafik einsetzt, bleibt bis hin zu meist fehlenden Titeln unausgesprochen bzw. dem Betrachter vorbehalten. Die Thematik an sich jedoch liegt eindeutig in dieser, unserer heutigen Zeit. Da reicht ein Stichwort: Globalisierung. Aus ihm schöpft der Künstler und versteht der Betrachter jene beiden Begriffe Ambivalenz und Pluralismus. Tatsächlich suggeriert jenes Wort eine Art weltumspannende Gleichheit.
In Wahrheit birgt es Gegensätze und Unbekanntes en masse. Das Spannendste im Werk Herrmanns – der sich übrigens stark von der Optical-Art-Begründer Victor Vasarely beeinflussen ließ – liegt in seiner Beschäftigung mit ausschließlich zwei Formen und deren Teilen: Kreis und Quadrat. Irgendwie erinnert das den digital denkenden Laien an die rechnenden Nullen und Einsen der Computer. In beiden Fällen werden zutiefst vertraute Zeichen benutzt, um kaum verstehbare Abläufe in Gang zu setzen.“
Geringfügige Korrektur
am 09.11.2020
Norbert Ernst Herrmann