Das Künstlerische.

 

Das Künstlerische ist ein Traum, dem das Wissen zunächst fremd zu sein scheint. Die Ahnung mag ihm alles sein. Es fühlt sich aber nicht lange wohl im Gefängnis des Nichtwissens, dem nur auf sich selbst bezogenen “Irgendwas.” Es will die Freiheit, es will die ganze Welt. Das Künstlerische will alles wissen, nicht nur die eigenen Ideen pflegen. Damit begegnet es zwangsläufig dem Wissen, Nichtwissen und Handeln anderer Menschen. Hier mag der entsetzte Schrei anheben:"Ihhhh!" Und kann oft schier nie mehr aufhören im Leben... 
Das Künstlerische, ab und an vom Traum erwacht, weiß nun, dass es so gut wie nichts weiß, strebt fragend wie Sokrates nach Erkenntnis und gewiss auch nach der Tat, nicht ohne Fehler zu machen. Das ist unvermeidlich. Gut, wenn man sie erkennt, auch darüber spricht... 

 

Wissen und Nichtwissen sind im kulturellen Gewebe beständig in dialektischer Spannung - etwa wie Figur und Grund in den Grundlagen des künstlerischen Schaffens - und verbindet sich gewiss mit Faktizität und Geltung von Wahrheit, wie Jürgen Habermas richtig ausführt. Doch das Gegenteil von der Wahrheit ist nicht die Un-Wahrheit, sondern wie Hans-Georg Gadamer sehr eindringlich zeigt: Die Verblendung.

Davor ist niemand gefeit. Das Alles-Wissen ist uns Menschen bislang nicht erreichbar, nur das Mehr-Wissen-Wollen und endet hoffentlich nicht - wie leider Nietzsches Schicksal zeigt - im Wahnsinn. Wobei wir wieder am Anfang von künstlerischen Träumen wären...

 

Norbert Ernst Herrmann

 

 

Einleitung zum Katalog der Galerie mBeck zur Art Karlsruhe 2020.