Norbert Herrmann vor einem Bild von Victor Vasarely im südfranzösischen Gordes 2013. Foto: Gretel Kawohl

"Angefangen hat alles natürlich schon sehr früh, denn gezeichnet und gemalt habe ich eigentlich so lange ich denken kann. Als Pflastermaler tingelten mein Schulfreund und ich 1967 dann durch einige Länder Westeu-ropas. Die Jugend der Welt war damals per Auto- Stopp auf den Straßen der Welt unterwegs!

 

Aber richtig "ange-fangen" hat bei mir alles erst richtig durch das Kunststudium bei dem Plastiker Hans Nagel, er bekam später eine Professur an der HDK Berlin, verstarb aber leider früh. Er brachte mich durch seine exzellente, einfühlsame, konsequente, aber nie verletzende Diskussionsführung, dazu, die ersten Druck-grafiken zu entwickeln. Natürlich stellten wir enorm selbstbewussten Kunststudenten gleich iin einer eigenen Galerie in Mannheim aus. Es war ein Ladenlokal, das wir auch als Siebdruck-Werkstatt einrichteten und nannten sie "Werkstatt-Galerie".

 

Im Laufe meines anschließenden Studiums in Heidel- berg, was ein theo- retisches Studium in Erziehungswissen-schaften und Psycho-logie war, saß ich, wenn wir nicht gerade gegen die Polizei kämpften - in Heidelberg waren damals ab und zu heftige Strassenschlachten! - oft länger und noch länger in der Bibliothek des kunsthistorischen Instituts und studierte u.a. Victor Vasarely sowie den Gestaltpsy-chologen Rudolf Arnheim, der seine Forschung auf die Kunst und das künstlerische

lGestalten ausdehnte.

 

 

Mich faszinierte bei Vasarely sein visuell ambivalenter "Anschauungsbegriff" - diesen Terminus habe ich von Rudolf Arnheim -, wobei ich mir die Frage stellte, was würde eigentlich passieren, wenn seine oft im Bild gezeigten visuellen "Blähungen" platzen würden? Meine eigenen Grafiken beschäftigten sich mit der Auflösung von Formen. Aber ich kam nicht weiter. Ich entwickelte zwar eine Methode, um ein System von Formen auflösen zu können, doch wie bekommt man ein neues System wieder zu sammen? Ich spürte, dass ich mich mit diesem exzellenten Künstler näher befassen sollte. Nicht zuletzt, weil der künstlerische Zeitgeist in Richtung der "Neuen Wilden" ging, was nicht mein Bier war...

 

Und so erkannte ich in der kombinierten Grundform von Vasarely - Quadrat und Kreis - meinen Ansatzpunkt. Aber erste Skizzen machten mir klar, dass ich diese Grundform nicht einfach übernehmen konnte. Ich verschob ihren Mittelpunkt gegeneinander, was einfach eine Frage des experimentellen Skiz-zierens war. Als damals schon fertig und pas-sabel ausgebildeter Grafik-Designer, noch dazu als Psychologie-student, der sich mit Wahrnehmungsfragen beschäftigte, wurde mir rasch klar, dass sich damit ein anderes Wahrnehmungsfeld eröffnete, das ich künstlerisch bearbeiten konnte, ohne in die Spuren von Vasarely epigonal einzutreten. Was mir gewiss wichtig war, denn die Optical-Art war damals ein veritabler Stil, dem ich aber nicht dachte, einfach im Sinne der Variation der Variation beizutreten...

 

Daraus ist meine Kunst entstanden. Mir geht es um visuelle Ambivalenz, die sich den Weg zur Entwicklung von Formen (vielleicht im Sinne von M.C.Escher?) offen hält. Der Ausgangspunkt war, wie dargelegt, die Beschäftigung mit den Grundformen von Vasarely, deren ge-meinsamen Mittel-punkt ich aufgab. Und um die Widersprüch-lichkeit der Wahrnehmung zu steigern, fügte ich zu dem eine paradoxe Schattenbildung hinzu.

 

Interessanterweise entdeckte ich lang später in der philosophischen Literatur, etwa bei Habermas, begriffliche Entsprechungen. Er redet z.B. von der "Dezentrierung" von Verhaltensperspektiven. So ist es offensichtlich möglich, einerseits der Logik eines autonomen Kunstbegriffs zu folgen, aber trotzdem Kind seiner Zeit zu sein...

 

Nicht zu letzt schwebt über allem der Begriff der Emergenz: Wie und womöglich warum etwas Neue entsteht. Jedenfalls sind wir alle Zeuge einer Welt im dauernden Umbruch."

 

Norbert Ernst Herrmann

Februar 2014, letzte

Korrekturen

30.September 2017. Letzte geringfügige Korrektur:

07.11.2020

 

 

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