Wenn ich von mir ausgehe, dann fühle ich mich durch seriöse Medien - manche Zeitungen, Magazine, Rundfunk und öffentlich-rechtliches Fernsehen - generell ganz gut informiert, was klar meine liberale Lebensauffassung und gewiss politisch linke Präferenz mit einschließt. Mit seriöse Medien meine ich, dass ich Hetz-Blätter, wie etwa “BILD”, oder die Regenbogenpresse ausschließe. Solche Medien haben mit qualitätsvollem Journalismus, wie ich ihn schätze, nichts zu tun. Was natürlich nicht ausschließt, dass seriöse Medien nicht auch manchen Fehler machen, den sie aber auch korrigieren in der Regel, doch mit der von faschistoider Seite kolportierten Begriff “Lügenpresse”, hat das nichts zu tun.

 

Es gibt in Deutschland keinen direkten Zugriff des Staates auf Medien. Schon eher der von Verlagen, aber wie man am Beispiel “Bild” sehen kann, gibt es auch im Hause Springer Blätter, die ich als eher seriös werten würde, sie sind halt nicht meine erste, politische Wahl. Was wohl umgekehrt, bei eher konservativen oder gar reaktionären Zeitgenoss*innen unserer Bevölkerung auch zutrifft, die meine Favoriten - Frankfurter Rundschau u.a. - wohl auch nicht bevorzugen werden. Was heißt: Gesellschaften sind eben äußerst heterogen in ihren diversen “Ideologien”, was Glaubensrichtungen einschließt. Ein homogenes Volk gibt es nicht, hat es nie gegeben. Demokratie gibt dieser Tatsache die beste, politische Form, wie wir aus historischer Erfahrung wissen können. Die es auch zu bewahren und verteidigen gilt.

 

Was einem aber nun schon länger in unseren Coronazeiten passiert - Stand: 10.Juni 2020 - ist schon ein veritabler “Ambivalenzschock”, den man erleben kann, wenn man das, was in seriösen Medien zu der bei uns bisher glimpflich verlaufenden Corona-Epidemie verfolgen kann und dem, was sich im Netz oder auch auf Demos tummelt unter der Parole: “Alles Lüge!” Damit meine ich nicht besorgte Bürger*innen, die zu recht Grundrechte anmahnen, die notwendig waren und sind, einzuschränken, sonst hätte die Gefahr einer exponentiellen Ausbreitung des Coronavirus bestanden - dieser Botschaft vertrauten anfangs auch über 80% der Bevölkerung -, was zu einem Paradox führte: Durch klares Durchgreifen des Staates - variiert durch unser förderales System - nahmen die Neuinfektionen immer mehr ab, es starben demzufolge auch weniger Menschen. Nun meinen einige: "War ja nichts! Alles Hokuspokus." Nur weil weniger starben? Tot sind sie trotzdem,- und das nicht nur alte Menschen! Die unglaublichsten Verschwörungstheorien feiern im Internet skurrile Urstände, denen man eigentlich nur satirisch begegnen kann (eben mit Lachen), was u.a. in seriösen Medien auch ausgiebig getan wird durch entsprechende Formate. Gut so! Auch eine neue Partei wurde gegründet, die aber schon wieder am sich Auflösen zu sein scheint. Die meisten Grenzen in Europa öffnen sich zunehmend, die Freizügigkeit wird sich wieder (mit Einschränkungen) normalisieren. Das dürfte dem ideologischen Luftballon der “Corona-Verschwörungsleugnern” die Energie austreten lassen...(ist zu hoffen).

 

Und doch ist die Corona-Epidemie natürlich nicht vorbei, bei uns nicht, weltweit noch weniger. Die Gefahr von immer neuen Wellen ist nicht gebannt, solange es keinen Impfstoff gibt. Und ob der dauerhaften Schutz bietet, weiß man auch nicht. Das Virus kann sich verändern und ähnliche Formen annehmen, wie bei HIV - da kann man bisher auch nur mit Medikamenten das Leben verlängern - oder der Influenza, die bei uns leider im Volksmund als Grippe verharmlost wird, aber in Deutschland die höchsten Sterberaten von Europa aufweist. Warum? Weil bei uns die Impfgegnerschaft in der Bevölkerung - aus Gründen von Ideologie oder schlicht Unkenntnis - am Häufigsten ist in Europa. Leute, die sich gegen Influenza impfen lassen, wissen, dass sie zwar auch erkranken können, aber längst nicht so schlimm, wie Leute, die sich nicht impfen lassen. Das liegt in der Natur der Sache: Influenza-Viren verändern sich schnell, so kann eine Impfung nie “punktgenau” sein. Aber ein relativer Schutz ist besser als gar kein Schutz. Zumal Nebenwirkungen, wenn überhaupt, marginal sind. Diese Fragen stehen uns also noch bevor, wenn ein Impfstoff gegen Corona gefunden wird: Die Impfgegner werden toben!

 

Ich werde hier nun nicht eingehen auf das Gebaren von meist jungen Männern, die in Städten sich zu Rudeln zusammen tun, um ihre vermeintliche “Unverwundbarkeit” zu feiern, oder auch, wenn man aus Gebäuden selbstgebastelte Fahnen wehen sieht, die behaupten, “Corona tötet nicht!”, dann erinnert das an einen ignoranten, unsozialen Individualismus, der sich selber - und das ausschließlich - als Nabel der Welt sieht. Das sind Auswüchse einer Ignoranz, deren man, was die Jugend betrifft, durch Bildung - was eben keine willkürliche Ansammlung von “Meinungen” darstellt, sondern schlicht primär “Wissen”, das in ihren Grundlagen relativ konstant ist -, was die Erwachsenen angeht, die solche Fahnen wehen lassen, durch ein mildes Lächeln, begegnen kann. Auch der offensichtliche Unsinn darf öffentlich demonstriert werden in der Demokratie. Man darf ja auch öffentlich lachen...

 

Doch laut Untersuchungen, sind bald 20% der Bevölkerung von seriösen Medien nicht mehr zu erreichen, was schon bedenklich ist. Das Internet hat auch sehr gute Formate aufzuweisen, wie man wissen kann, es ist jedoch auch festzustellen, dass dubiose Verschwörungsunternehmungen mit ihren Blogs ihr Unwesen treiben, denn mit Klickzahlen wird ja auch Geld verdient...

 

Was hat das aber alles mit meiner Kunst zu tun? Dem Spiel von abstrakten Formen, die sich oft als sehr gegliedert und vom ersten Eindruck womöglich als “starr” ausnehmen? Nun, das hat mit den widersprüchlichen Raumeindrücken zu tun, die sich bei dem Betrachten meiner Bilder - und wie auf der Art-Karlsruhe zu sehen, dem Relief - zu entnehmen ist, wenn man sich auf “das Sehen” einlässt. Das muss schon sein:

 

Da wird man bemerken, dass es plötzlich in seiner Wahrnehmung widersprüchliche Eindrücke von Vordergrund und Hintergrund gibt, wo man sich kaum entscheiden kann, es aber trotzdem muss, ohne, dass dieser Eindruck beständig ist: Plötzlich, vielleicht beim erneuten Hinsehen, schlägt der Eindruck wieder um, aus einem Vordergrund wird ein Hintergrund und umgekehrt. Dieser Eindruck hat mit unserer Wahrnehmungs-fähigkeit zu tun, die uns als biologische Entität mit der Welt des Lebendigen verbindet. Alle Lebewesen - man sagt, Pflanzen auch! - müssen Vordergrund und Hintergrund exakt unterscheiden können, um überleben zu können. Im übertragenen Sinne, trifft das auch auf uns Menschen zu. Wir wissen uns im Alltag, etwa im Straßenverkehr, adäquat in dieser Hinsicht zu bewegen, wenn nicht, dann gibt es ein Unfall, bedauerlicherweise manchmal mit tödlichem Ausgang.

 

Aber auch in unserem Denken, unseren Gefühlen und Handlungen kommt dieses Prinzip der Figur/Grund-Beziehung zum Tragen: Wir müssen uns entscheiden! Auch wenn wir denken, das nicht zu tun, ist das eine Entscheidung, die wahrscheinlich Konsequenzen hat. Deshalb gibt es in meiner Kunst klare Grenzen. Denn ohne Grenzen, können wir schwer Unterschiede feststellen, die unter Umständen lebenswichtig sind. Überall und schon immer: Konnten etwa unsere Vorfahren nicht das Gebüsch vom berühmten Säbeltiger unterscheiden, ist ihnen das nicht gut bekommen. Es sei denn, sie wollten ihn jagen. Das wahrnehmungsmäßige Prinzip von Figur und Grund ist also eine globale Konstante, wie die Schwerkraft. Auch in Bildung, Beruf und Wissenschaft spielt dieses Prinzip eine herausragende Rolle: Ohne klare Abgrenzung von dem was Thema ist und was nicht, ist Verständigung nicht möglich, in der Bewertung also falsch, jedenfalls mangelhaft.

 

Das hat nichts mit Digitalität oder Bipolarität an sich zu tun. Die Natur als Umwelt ist nicht bipolar, sondern im dauernden Kreislauf (den wir durch Müll und Klimakrise erheblich, wahrscheinlich irreversibel, stören). Aber unsere Wahrnehmung, unser Fühlen und Denken ist an das Figur/Grund-Prinzip gebunden, um uns in Natur und Gesellschaft zurecht zu finden. Wir werden immer das Wichtige vom Unwichtigen zu unterscheiden haben. Auch was “Fake-News” sind und was nicht. Gewiss wird darüber zu diskutieren sein. Denn irren ist menschlich, keine Frage.

 

Dies kann meine Kunst bewirken, dass einem dieser Zusammenhang nämlich bewusst wird. Ob man an die Existenz des Coronavirus nun “glaubt” oder nicht, ist nicht Gegenstand meiner freien Kunst. Sie gibt keine Ratschläge. Aber, dass man sich ent-scheiden muss, was man glaubt, was wahrscheinlich ist und was nicht, schon. Darüber kann man nachdenken und diskutieren. Weil man, wie gesagt, immer entscheiden muss im Leben. Auch in punkto Corona. Außer man ist tot.

 

Denn das Nichts verbindet sich mit nichts, wie der große Dichter und Nobelpreisträger T.S. Eliot meinte. Aber weil unsere Physis trotzdem nicht aus Nichts, sondern aus “Sternenstaub” besteht, wie schon unser verehrter Goethe ahnte, werden wir, wenn wir tot sind, als physikalische Bestandteile eingehen in den Kosmos der immerwährenden Geburt von Sternen, die immer auch wahrscheinlich Trabanten haben werden, unserer Erde ähnlich, auch wenn diese zusammen mit unserem Sonnensystem schon längst verglüht sein wird. Diese Spekulation darf erlaubt sein. Auch da wird es womöglich eine Evolution und so etwas wie Viren geben. Und auch da wird das “Spiel” von Leben und Tod, Figur und Grund, wahr oder nicht wahr, dann sehr wahrscheinlich seine fruchtbare und nicht selten furchtbare Dynamik entfalten.

 

Norbert Ernst Herrmann
10. Juni 2020

Geringfügig geändert am

16.Juni 2020